Januar, 2020

  1. Einfaches und gutes Fischessen in Lissabon.

    Januar 21, 2020 by Ewald Schürmann

    Drei Variationen von Bacalhau à Brás

    Kunstvoll aufgetürmt ist dieses Fischgericht. Irgendwie bildet es ein Türmchen mit zunächst undefinierbaren Zutaten. Was ist da alles bei der Zubereitung in einem Speisering drapiert worden, der nach dem Abheben dieses Gebilde hervorbringt, das nicht zusammenstürzt? Eigentlich simple Dinge, wie feine Kartoffelstifte, Zwiebeln, Knoblauch, Champignons, Spinat und anderes, gebunden mit Ei. Vor allem thront oben die eigentliche Krone, der Stockfisch oder Klippfisch in Stücken, ja eher noch wie in Fetzen. Und manchmal sind darüber noch einige schwarze Oliven gelegt. Unten auf dem Tellerrand ist verspielt eine schöne feine gitterartige Textur aus schwerflüssigem Balsamico  gesetzt.

    Wie soll das nun gegessen werden? Einfach drin herum stochern und einzelne Stücke auf die Gabel nehmen. Ja, so zerstörerisch geht das Verspeisen einer noch so schönen Speiseschöpfung nun einmal vor sich. Aber wie schmeckt es? Nach frischem Fisch jedenfalls nicht. Denn der Stockfisch ist nun einmal ein ursprünglich frischer Fisch, der mit Salz luftgetrocknet wurde, um diese pappige Masse später wieder ein paar Tage zu wässern und dann zu kochen und zu zerfasern. Also ein ähnliches Verfahren wie beim rohen Schinken. Somit hat der Bacalhau einen intensiven Geschmack, sozusagen Fisch ganz hoch konzentriert. Ja, ist eben typisch für Portugal und schmeckt sicherlich am besten in einem portugiesischen Lokal oder Haushalt. (Bei der einfachen häuslichen Machart wird die gesamte Masse in einer Pfanne gebraten und mit den Eiern zum Schluss verrührt, die nur etwas stocken und noch feucht bleiben).     

    Getrockneten Stockfisch (oder Klippfisch) gibt es in großer Auswahl auch in portugiesischen Supermärkten. Früher nahmen die Seefahrer große Vorräte solcher Trockenfische (meist Kabeljau) mit auf die lange Reise. Deshalb erinnert das Gericht irgendwie auch an die großen Seefahrer- und Kolonialzeiten Portugals. 

    Lissaboner Lokale bieten natürlich auch ganz frisch gefangene Fische an. So zum Beispiel eine Scheibe Lachs, einfach nur gegrillt mit etwas Kartoffeln und Mangold und einer Zitronenscheibe. Klares Arrangement, im Zentrum der Fisch und nur um seinen Geschmack geht es. Das Gemüse ist eine Begleitung.

    Scheibe Lachs mit Kartoffeln und Mangold

    Noch radikaler ist die aufgeklappte Dorade mit dem feinen Rauchgeschmack aus dem Holzofengrill. Das Essen wird zur chirurgischen Übung, an der Kinder lieber nicht teilnehmen sollten. Die Gräten sind überall, aber das feine rauchige Fischfleisch mit Messer und Gabel herauszuschälen und es langsam zu verzehren, ist wie eine Anbetung des frischen Fischgeschmack. Ein Bissen Kartoffel dazwischen ist dann nur eine kleine Pause zur Neutralisierung der Zunge.   

    Aufgeklappte Dorade mit Kartoffeln

    Schon eher rustikal geht es beim Pulpo zu, der in völlig ungeschönter Form auf dem Teller präsentiert wird. Wer das mag, muss einfach nur Tintenfisch essen wollen. Keine Panade überdeckt die etwas glibbrige Konsistenz dieser Fleischstücke vom Oktopus. Beim Hineinbeißen geht es von weich bis fest zu. Ein etwas fluppiges Kauerlebnis! Passend dazu die in der Schale gekochten Kartoffeln, die gequetscht wurden, was in Portugal sehr beliebt ist. So ist die Schale fest, aber das Innere schon weich zerdrückt. Das harmoniert gut mit dem Tintenfisch. Und wer es noch grün und frisch dazwischen mag, nimmt einen Bissen Spinat. 

    Pulpo mit gequetschten Kartoffeln und Spinat

    Fehlen darf in der portugiesischen Fischküche natürlich nicht die Sardine, die ein großer Wirtschaftsfaktor für die Fischerei ist. Gegrillte Sardinen werden in jedem Lokal angeboten und auch hier sind die Beilagen ganz schlicht, denn es geht nur um dem Geschmack dieser kleinen und immer fangfrischen Fische. Aber auch als Dosenfisch sind sie beliebt und werden in Manufakturen in Deluxe-Qualität verarbeitet. In Lissabon gibt es spezielle Geschäfte für Dosensardinen, die wie Kunstwerke aussehen und gerne als Souvenir gekauft werden. Die Verpackung hält jedenfalls, was sie verspricht und die Sardinen in den Dosen schmecken hervorragend.  

    Sardinen, Sardinas, Sardinillas überall: Als Tellergericht in Lokal, in der Dose, gestickt auf dem Handtuch oder gemalt auf Keramiken.